Netzwerk Essstörungen im Ostalbkreis NEO

Essstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei pubertierenden Mädchen und jungen Frauen. Zunehmend sind auch Männer betroffen, im Verhältnis 1:10.

Von essgestörtem Verhalten sprechen wir, wenn sich beim Betroffenen plötzlich alles nur noch um das Thema Essen dreht, die Betroffenen laufend Kalorien zählen und sich nicht mehr gestatten, die Dinge zu essen, die ihnen schmecken. Stattdessen sind sie ständig mit ihrem Körpergewicht beschäftigt und fühlen sich selbst dann noch zu dick, wenn sie real Gewicht verloren haben und nach gängigen Maßstäben als schlank gelten müssen. Das auftretende und von den Betroffenen nur unzureichend wahrgenommene Untergewicht oder auch das wiederholte herbeigeführte Erbrechen führen zu körperlichen Beeinträchtigungen, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit und häufigen Ausreden, um gemeinsame Mahlzeiten mit Freunden etc. zu vermeiden.

Dabei ist die Magersucht (Anorexia nervosa) durch einen ausgeprägten Gewichtsverlust charakterisiert. Bei der Ess-Brechsucht (Bulima nervosa) haben die Betroffenen in der Regel ein normales Gewicht, halten dies aber nur über Erbrechen konstant. Häufig kommt es nach Heißhunger zu Essattacken mit anschließend erneutem Erbrechen und großem Schamgefühl. Bei beiden Erkrankungen kann die Einnahme von Abführmitteln für die Gewichtsregulation bedeutsame Rolle spielen.

Essen und die Konfrontation mit dem Körpergewicht lösen heftige emotionale und körperlich spürbare Reaktionen sowie oft Panik aus. Je länger die Essstörung andauert, desto mehr hängt der Selbstwert der Betroffenen vom erreichten Körpergewicht oder der Figur ab. Ab einem bestimmten Zeitpunkt verselbständigt sich die Erkrankung und die Betroffenen kommen aus dem Teufelskreis nicht mehr alleine heraus. Sie fühlen sich ohnmächtig und ziehen sich sozial zurück.

Viele Eltern stehen der Essstörung ihres Kindes hilflos gegenüber, da Betroffene wegen der starken Tendenz zum Verleugnen auf Hilfsangebote oft nicht eingehen, sondern ihre Problematik eher abstreiten. Diese mangelnde Krankheitseinsicht ist für Aussenstehende ein großes Problem und erschwert oft eine frühzeitige Behandlung. Entsprechend wichtig ist am Anfang die Motivation und die Konfrontation der Betroffenen. In dieser Phase spielen Angehörigen, Freunde und z.B. Lehrer eine wichtige Rolle, aber auch Hausärzte, Kinderärzte und Frauenärzte. Spezialisierte Beratungsstellen in Aalen und Schwäb.Gmünd stellen ein niedrigschwelliges Kontaktangebot zur Verfügung, auch Eltern können sich hier beraten lassen, wenn sie nicht (mehr) wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Netzwerk Essstörungen im Ostalbkreis

Um die Versorgungssituation und Zusammenarbeit im Ostalbkreis zu verbessern, hat sich kürzlich ein Behandler-Netzwerk zusammengeschlossen, dem neben den erwähnten Beratungsstellen niedergelassene Ärzte, Psychotherapeuten und die Kliniken für Psychosomatik Aalen, die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ellwangen und die Tageskliniken für Psychiatrie in Aalen uns Schwäb.Gmünd angehören. Ziel ist es, die vorhandenen Hilfsangebote für Essgestörte besser aufeinander abzustimmen sowie vorhandene Lücken im Versorgungsangebot zu schliessen. Dabei geht es auch um die abgestufte Verzahnung der Angebote: Prävention, Beratung, Diagnostik, Motivation, Psychoedukation, ambulante und stationäre Psychotherapie, Krisenintervention sowie Nachsorge.

Integrierte Versorgung des Netzwerkes mit der AOK

Um eine umfassende und zeitnahe ambulante Behandlung anbieten zu können, hat das Netzwerk im Jahr 2007 mit der AOK Baden-Württemberg einen integrierten Versorgungsvertrag abgeschlossen. Das Netzwerk ist aktuell im Gespräch mit anderen Krankenkassen, um weiteren Betroffenen die Teilnahme an diesem Projekt zu ermöglichen. Damit haben Betroffene die Möglichkeit, im Ostalbkreis eine ambulante psychotherapeutische Versorgung zu erhalten, die in dieser Dichte sonst nur in der Klinik umgesetzt wird.

Die verschiedenen psychotherapeutischen Behandlungsangebote werden kombiniert und individuell angepasst. Zum Einsatz kommen neben Gruppen- und Einzelgesprächen auch Familiengespräche, Ernährungsberatung und ergänzende körperorientierte Verfahren. Die Betroffenen können so im gewohnten Umfeld bleiben. Die beteiligten Behandler treffen sich regelmäßig und tauschen sich über den aktuellen Stand der Behandlung aus. Alle drei Monate wird mit den Betroffenen gemeinsam entschieden, was in der nächsten Behandlungsphase im Vordergrund steht. Der Hausarzt ist in die Behandlung eingebunden und bleibt im Verlauf ständig Ansprechpartner für die Patientinnen.

Dieses Projekt ist neu und einmalig im Land. Es bietet die Chance, sich rasch und effektiv Unterstützung zu holen, bis es wieder alleine vorwärts geht.